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05.04.2019 Standpunkte

kleine Dinge, große Wirkung oder – mein neues Arbeitsgerät - Andrea erzählt

Meinen Arbeitsplatz im Eduard Knoll Wohnzentrum kennt nahezu jeder, aber für die Menschen, die mich nicht kennen, möchte ich ihn kurz beschreiben. Seit über 10 Jahren sitze ich im Empfangsbereich und bin für den Bereich Öffentlichkeitsarbeit tätig. Die Arbeit am Computer kann ich nicht mit meinen Händen erledigen. Ich nutze schon seit meiner Kindheit dafür einen Stirnstab. Auf meinem Kopf habe ich eine Art Helm auf, an dem vorne auf Stirnhöhe ein ca. 40 cm langer Stab befestigt ist. Vorne an dem Stab befindet sich noch eine kleine Kappe. Durch meine Kopfbewegung bin ich dann in der Lage, die Tastatur vom PC zu bedienen.
Nun habe ich im Büro einen neuen Touchscreen-Monitor bekommen, der leider mit der herkömmlichen Spitze, wie ich eigentlich angenommen hatte, nicht bedienbar war. Da war guter Rat teuer und ich war schon bestürzt, diesen tollen Monitor nicht effektiv einsetzen zu können. So habe ich verschiedene Möglichkeiten angedacht, aber wieder verworfen.

Bei meiner Suche nach einer Lösung habe ich mich im Internet umgeschaut und bin fündig geworden:
Es gibt in Tauberbischofsheim einen kleinen Betrieb, mit dem Namen „Pfiffikus Mundwerkzeuge", der es  sich zur Aufgabe gemacht hat, ganz individuell Hilfsmittel für eingeschränkte Menschen zu entwickeln, um ihnen die Möglichkeit zu bieten auch ohne den Einsatz der Hände PC, Tablet und Smartphones bedienen zu können.
Voller Hoffnung habe ich per E-Mail Kontakt mit der Firma aufgenommen und meinen Wunsch mitgeteilt. Reiner Scheuermann, der Firmeninhaber, meldete sich umgehend mit einigen Vorschlägen zurück. Er besuchte mich danach an meinem Arbeitsplatz und brachte einige Hilfsmittel mit, die ich direkt ausprobiert habe.

Danach ging alles sehr schnell. Schon nach zwei Tagen bekam ich Post und hatte meine neue Kappe für den Stirnstab.
Ich probierte sie gleich aus und stellte fest, dass sie auf dem Touchscreen-Monitor wunderbar funktionierte.
Und das Schöne ist, die Leistungen können auf ärztliche Verordnung  von der Krankenkasse übernommen werden.
Ich kann nur jedem, der auf der Suche nach einem passenden Hilfsmittel ist, empfehlen, sich von dem breiten Angebot inspirieren zu lassen.

Während des Besuchs von Reiner Scheuermann hier im Wohnzentrum hatte ich Gelegenheit ihm ein paar Fragen zu stellen.
Andrea Jacob: Wie sind Sie dazu gekommen, „Mundwerkzeuge“ zu entwickeln?
Reiner Scheuermann: Ich habe vor vielen Jahren bereits einen Mundstab zum Umblättern angefertigt. Da dieser im Laufe der Jahre nun verschlissen war, wurde ich von dem Benutzer wieder kontaktiert und gebeten ihm einen neuen anzufertigen. Während der Herstellung dachte ich mir, es müsste doch möglich sein, mit so einem Stab auch moderne Medien wie Computer, Handys und IPAD zu bedienen. Dann begann ein langes herumprobieren, verbessern, wegwerfen und wieder von vorne anfangen, bis die Stäbe die gewünschten Anforderungen erfüllen. Sie sollen bequem sein, die Zähne nicht beschädigen, super funktionieren und es soll alles bedient werden können, was mit einem Finger auch möglich ist. Und wir hören zur unserer Freude nun ganz oft, dass die Hilfsmittel das können.

Andrea Jacob: Welche Materialien benutzen Sie für die Hilfsmittel, die Sie herstellen?
Reiner Scheuermann: Für die Hilfsmittel ist es ganz wichtig, dass sie leicht sind. Deshalb sind die Materialien auch nach Gewichtseigenschaften ausgewählt. Die Teile, die mit dem Mund und Körper in Berührung kommen, sind speziell aus zertifizierten zahnärztlichen Materialien hergestellt: Sie sind mund- und körperverträglich.

Andrea Jacob: Wie lange benötigen Sie von der Idee bis zur Fertigstellung?
Reiner Scheuermann: Das ist sehr unterschiedlich, es hängt von den Tätigkeiten ab, die man mit den Stäben ausführen möchte. Die meiste Zeit benötigt das Ausprobieren und das Erkennen und Verbessern kleiner Details, die erst beim permanenten Benutzen, als nicht ideal erkannt werden.

Andrea Jacob: Welche Materialien benötigen Sie speziell für die Spitze, wie ich sie habe?
Reiner Scheuermann: 5 verschiedene Kunststoffe, die zum Teil vermischt werden, Nadel und Faden, ein paar Betriebsgeheimnisse, Geduld und 2 Pflaster.

Andrea Jacob


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1 Kommentare

Amos schrieb am 05.04.2019 - 12:00 Uhr

Es ist wunderbar, das es Menschen gibt, die ganz eigennützlich herrumfrimmeln, dass es anderen Menschen besser geht. Chapeu, Herr Reiner Scheuermann. Gut ist es auch, dass Du, Andrea, Deine Erfahrungen hier aufgeschrieben hast. Du hast Dich auf dem Weg gemacht, etwas zu finden, was Deine Arbeit erleichtert. Initiativkraft, das Finden, das wird immer belohnt. Du bist das beste Beispiel dafür. Glückwunsch.


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