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09.02.2018 Bewohnerbeiträge

Wie aus Nachbarn Freundinnen wurden – Sonja erzählt

Zuerst erkläre ich euch, wie es dazu kam, dass Anneliese meine Nachbarin wurde. Als ich hier im Wohnzentrum eingezogen bin, hatte ich erst eine andere Zimmernachbarin. Später habe ich mein Zimmer gewechselt und so wurde Anneliese meine Nachbarin. Mit der Zeit hat sich zwischen uns eine richtige Freundschaft entwickelt.

Anneliese gehört zu den Bewohnern hier im Haus, die durch ihre Behinderung schwer beeinträchtigt sind. Sie ist Rollstuhlfahrerin und kann sich sprachlich nicht äußern. Früher hatte sie ein Buchstabieralphabet, aber jetzt kann sie leider zum Anzeigen der Buchstaben keinen Stift mehr halten.

Aber man kann sich trotzdem mit ihr verständigen. Man muss Fragen stellen, auf die sie mit ja und nein antworten kann. Wenn Anneliese dann mit den Augen blinzelt, bedeutet die Antwort „ja“, wenn nicht heißt es „nein“. Außer über die Augen kann sie noch mit einem Handdruck eine Bestätigung äußern.

Ich habe auch noch eine andere Technik herausgefunden, wie wir uns unterhalten können. Als es z. B. um ihre Geburtsfeier ging, die ich für sie planen wollte, versuchte ich herauszufinden welchen Kuchen sie möchte. Ich wusste schon , dass sie gerne Schokolade und Bananen und überhaupt gerne Süßes ißt. Da habe ich dann verschiedene Vorschläge gemacht und sie konnte dann bestätigen was sie möchte. Dazu muss man allerdings sehr viel Geduld und Zeit aufbringen. Aber ich mache das sehr gerne. Seit ich mir dafür die Zeit nehme, ist Anneliese nicht mehr so in sich gekehrt und ist viel fröhlicher geworden.

Den Pflegern fehlt leider oft Zeit, aber trotzdem gelingt es ihnen immer wieder mit einer kleinen Zuwendung ein wenig für sie da zu sein. Mit einem kleinen smalltalk, mit dem Lackieren der Fingernägel oder dem Aussuchen eines Parfüms oder Schmuck. Alle mögen Anneliese.

Ich sehe Anneliese nicht so schwer behindert, ich gehe einfach ganz normal mit ihr um. Für mich ist Anneliese eine Freundin und wir helfen uns gegenseitig. Wenn ich z.B. reden will hört Anneliese mir zu, sie spürt es auch, wenn ich mal nicht so gut drauf bin. Manchmal habe ich Ideen, wie ich Anneliese etwas Gutes tun kann. Als ich neulich gesehen habe, dass das Bild an ihrer Türe schon ziemlich kaputt war, hatte ich die Idee, für sie eine neue Bilderkollage zu machen. Dafür habe ich Bilder genutzt, die ich mit meinem Handy gemacht habe.

Als ich Anneliese die Kollage gezeigt habe, hat sie sich sehr gefreut, ihre Augen haben richtig geleuchtet und sie hat laut gelacht.

Anmerkung: Nachdem ich Anneliese meinen Bericht für die Homepage vorgelesen habe, habe ich gemerkt dass sie dazu etwas sagen will, weil sie mich direkt mit ihren Augen fixiert hat. Ich habe dann verschiedene Fragen gestellt, bis ich herausgefunden habe, um was es geht. Anneliese wollte noch, dass ich dem Bericht zwei Sachen anfüge. Erstens, dass sie auch in unserer Tagesstrukturierung eine gute Betreuung hat, wenn ich nicht für sie dasein kann. Und zweitens sollte ich noch dazu schreiben, dass sie sich immer sehr freut, wenn ich ihr von meinen Eltern ein kleines Geschenk mitbringe.

Anneliese hat viel gelacht und mir gezeigt, dass sie verwundert ist, dass jemand so viel für sie tut. Aber für mich ist es so, dass ich es gerne mache und ich mich freue, wenn sich Anneliese freut.

Eure Sonja


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2 Kommentare

Andrea Jacob schrieb am 09.02.2018 - 14:17 Uhr

Einfach nur schön...


R.L. schrieb am 11.02.2018 - 11:58 Uhr

Liebe Sonja, liebe Anneliese, als ich diesen Bericht las, musste ich sofort an diese Zeilen denken: Es gibt Menschen, die dich nach tausend gesprochenen Worten immer noch nicht verstehen. Und es gibt Menschen, die dich ohne ein Wort verstehen. FREUNDE !!! Euch beiden wünsche ich weiterhin ein gutes und verständnisvolles Miteinander ! Ich lasse Grüße hier an dich liebe Sonja und an dich liebe Anneliese. Rosi


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