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16.09.2014

Drei syrische Asylbewerber arbeiten im Eduard-Knoll-Wohnzentrum mit


Mehr als 1,05 Euro ist nicht drin

Ali Hassan hat viele Talente
In seiner Heimat Syrien war er politisch engagierter Student und Englischlehrer. Seit April betreut er behinderte Bewohner des Eduard-Knoll-Wohnzentrums in Krautheim und muss oft „als Dolmetscher herhalten“, wie Norman Weyrosta, Geschäftsführer des Wohnzentrums, sagt. Kein Wunder, dass so ein wacher Geist wie der 22-jährige Asylbewerber mit seiner Lebenssituation nicht zufrieden ist: „Nach sieben Monaten in Deutschland möchte ich mehr als nur lernen und vier Stunden am Tag arbeiten.“ Doch der Gesetzgeber hat es so vorgeschrieben: In den ersten neun Monaten nach ihrer Ankunft dürfen Flüchtlinge nur in gemeinnützigen Jobs arbeiten – für einen Stundenlohn von 1,05 Euro. Manche seiner Mitbewohner im Asylbewerberheim hätten sich geweigert, für so wenig Geld zu arbeiten, sagt Hassan. Das Geld reicht nicht aus, um ohne die monatlich 329,20 Euro vom Landratsamt zu überleben. Dabei würde Hassan viel lieber seinen ganzen Lebensunterhalt selbst bestreiten: „Wenn ich voll arbeiten könnte, bräuchte ich kein Geld vom Landratsamt. Ich finde das blöd.“

Frohnatur
Äußert Hassan oft unverblümt seine Meinung, so ist sein Landsmann Serdar Mousa eine Frohnatur, die gute Laune verbreitet. Fast übermütig bedankt sich der 31-Jährige für die Möglichkeit, in der Wäscherei des Wohnzentrums arbeiten zu dürfen, und klopft Weyrosta auf die Schulter. Der Schneider und Designer kann im Wohnzentrum auch Kenntnisse aus seinem Beruf anwenden: „Viele Mitarbeiter bringen ihre Kleidung zu ihm zum Kürzen oder Verlängern“, berichtet Regina Achatzi, Abteilungsleiterin der Ergotherapie.

Sprachbarriere
Der dritte syrische Asylbewerber, der im Wohnzentrum arbeitet, ist Ahmad Jbaili. Während Hassan fließend Deutsch spricht und auch Mousa die wichtigsten Dinge ausdrücken kann, ist Jbaili auf Hassan als Dolmetscher angewiesen. Im Wohnzentrum ist er vor allem für die Pflege der Grünanlage zuständig. Trotz der Sprachbarriere ist Hausmeister Reiner Mitschke zufrieden: „Es funktioniert gut. Er musste nur am Anfang lernen, was bei uns alles als Unkraut zählt.“ Der 43-jährige Jbaili, der in seiner Heimat als Seemann gearbeitet hat, ist der Einzige der drei Syrer, der bereits eine eigene Familie gegründet hat. Seine Frau und die zwei Söhne befinden sich noch in Syrien, seit acht Monaten sind sie voneinander getrennt. „Er vermisst seine Familie. Ihnen geht es nicht sehr gut“, übersetzt Hassan. Jbaili, Mousa und Hassan befinden sich in Sicherheit, doch auch sie haben es nicht einfach. Zwar seien Vorurteile in einer kleinen Stadt wie Krautheim leichter auszuräumen, sagt Hassan, doch er beklagt die Stimmung in Teilen der Gesellschaft: „Manche denken: ’Scheiß- Ausländer – sie essen und schlafen nur und kriegen dafür Geld’. Sie wissen nicht, dass auch wir Träume haben. Dass wir nur kurze Zeit hier sind, und dann geht’s los.“ Anfangs gab es auch Proteste der Krautheimer Bürger: Manche richteten sich gegen die als menschenunwürdig betrachtete Unterbringung, aber es seien auch viele „Vorurteile hochgespült“ worden, wie sich Weyrosta erinnert. Derweil sind die drei Syrer voll ins Team des Wohnzentrums integriert, bei den Bewohnern sind sie beliebt. Nachbarinnen kommen regelmäßig ins Asylbewerberheim und unterrichten Deutsch. Auch Hassan, Mousa und Jbaili tragen ihren Teil zu einem guten Miteinander bei: „Gerade Serdar und Ali sind total offen“, sagt Zentrumsbewohner Jürgen Milewski. „Wir haben die WM-Spiele in der Stadthalle geschaut und waren zusammen auf dem Straßenfest. Sie versuchen sich voll zu integrieren und sind immer präsent.“



Situation
In der Krautheimer Asylbewerberunterkunft in der Birkenallee leben derzeit 13 Syrer und 15 Pakistaner in einem Zweifamilienhaus. Ursprünglich sollten auf den gut 200 Quadratmetern Wohnfläche 40 Flüchtlinge untergebracht werden. Am Ende legte das Landratsamt 28 Bewohner als Obergrenze fest – zumindest „derzeit“, wie es in einem Schreiben vom Mai von Landrat Dr. Matthias Neth an Wohnzentrums- Geschäftsführer Norman Weyrosta heißt, das der Hohenloher Zeitung vorliegt. Auch in anderen gemeinnützigen 1,05-Euro-Jobs im Kreis sind Asylbewerber tätig: Am Krautheimer Bauhof arbeiten seit drei Monaten drei Pakistaner, die je nach Bedarf die Bau- und Grünkolonne unterstützen und zum Beispiel die Wege bei der Sanierung der Realschule angelegt haben. In Michelbach leeren seit rund vier Monaten bis zu fünf Pakistaner jede Woche die Mülleimer, entsorgen Hundekot und reinigen die Bus-Haltestelle. „Sie machen es sehr zuverlässig“, sagt der ehrenamtliche Betreuer Siegfried Schmidt.

Quelle: Frank Lutz ,Hohenloher Zeitung, „Rund um Künzelsau“, Samstag, 13. September 2014






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3 Kommentare

JÜRGEN MILEWSKI schrieb am 17.09.2014 - 14:58 Uhr

FEINE KERLE , DIE JUNGS !!! - WEITER SO - GEHT EUREN WEG !!!


Sabine Schüll schrieb am 17.09.2014 - 17:17 Uhr

Ich finde man soll solche Leute unbedingt unterstützen! Sie wollen ja arbeiten und sich bei uns wohlfühlen! Diese schrecklichen Vorurteilungen finde ich völlig überflüssig! Man soll bedenken, aus welchem Grund sind sie bei uns gelandet! Damals in dem 1. und 2. Weltkrieg gab es auch deutsche Leute, die Vertrieben wurden und froh waren das sie wo anders unterkamen. Meine Oma musste mit ihrer Familie 2mal eine Vertreibung mit erleben! Das ist nicht schön! Also ich finde es prima, dass das Wohnheim ihnen eine Möglichkeit gibt, was sinnvolles tun zu können! Ich drücke Euch auf jedenfalls die Daumen, das ihr eine gute Arbeit und einen schöne Wohnung findet, um hier zu leben.


Andrea Jacob schrieb am 21.09.2014 - 21:49 Uhr

Sabine und Jürgen sprechen mir voll aus der Seele. Wir sollten wirklich alle "aufstehen", um den Asylbewerbern eine Heimat bieten. Was in den Ländern, wo sie herkommen, durchgemacht wird, ist sehr, sehr schlimm und nicht zu fassen...

An "unsere" Kerle:
Möget ihr bei uns in Deutschland eine Heimat finden und viele liebe Menschen, die euch unterstützen.


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