12.03.2013
„Man muss gut haushalten lernen"
Was Betreutes Wohnen im Alltag bedeutet ein Beispiel aus Krautheim:
Schon der Weg zum Eingang in die Gebäude macht Eindruck: Großzügig angelegt, von geschwungenen Rasenflächen flankiert, und begrenzt von massiven Natursteinen. Auch das Gebäude selbst sieht gut aus, wirkt nicht wie architektonisches Allerlei. Der zentrale Eingangsteil verbindet die beiden Gebäude und ist zum Teil farblich in Rot abgesetzt von den weiß getünchten Gebäuden. Und diese ersten positiven Eindrücke setzten sich im Inneren fort: Die Wände und Decken sind in den warmen Farben Rot und Gelb gestrichen, in den Gängen hängen farblich darauf abgestimmte Bilder. Kurzum: ein angenehmes Ambiente. Mit einem Aufzug gelangen die Bewohnerinnen und Bewohner mit dem Rollstuhl in die oberen Wohnungen in der 2. Etage. Die Gebäude für Betreutes Wohnen gehören zum Eduard-Knoll-Wohnzentrum in Krautheim, wo diese Wohnform seit letztem Jahr in eigens errichteten Gebäuden angeboten wird.
„Das Betreute Wohnen hier ist ein großer Fortschritt für den BSK in Krautheim“, sagt Andreas Brandenburger - der vier Zweizimmer-Appartements. Daneben stehen noch acht Einzimmer-Appartements für Einzelpersonen zur Verfügung. Alle Wohnungen sind barrierefrei und mit höhenverstellbaren Küchenelementen sowie eigenem Sanitärraum ausgestattet. In einem Nebenraum des Erdgeschosses stehen Waschmaschinen für die Bewohnerinnen und Bewohner bereit.
Die Selbstständigkeit hat ihren Preis
Die Selbstständigkeit, von der Natalie spricht, hat ihren Preis. „Wenn man nicht kocht, gibt es eben nichts zu essen, wer nicht wäscht, hat keine saubere Kleidung“, erklärt Andreas. „Man muss alles selbst entscheiden und ist auch selbst verantwortlich“, fügt er hinzu. Und wie fühlt sich der Unterschied zum Heim an: „Das Heim ist dagegen ein Rundum-Sorglos-Paket, bei dem aber die Entscheidungsfreiheit und Selbstständigkeit fehlt.“ Er bereue den Wechsel zum Betreuten Wohnen jedenfalls nicht und würde es „jederzeit wieder so machen.“ Der einzige Nachteil hat einen anderen Grund: „Wir wohnen hier auf dem Land, was die Selbstständigkeit und Mobilität einschränkt“, sagt Natalie.
Nicht alle Bewohner müssen sich wie Natalie und Andreas für die weitgehende Selbstständigkeit entscheiden, auch teilbetreutes Wohnen ist möglich. Das heißt, es können je nach Bedarf bestimmte kostenpflichtige Dienst-leistungen des EKWZ-eigenen Pflegedienstes in Anspruch genommen werden. Insgesamt gilt fürs Betreute Wohnen: „Wenn man Hilfe braucht, muss man sie sich holen, aber auch bezahlen", bringt Andreas es auf den Punkt. Man müsse sich insgesamt in finanzieller Hinsicht umstellen: „Wer sich für das Betreute Wohnen entscheidet, muss gut haushalten lernen.“ Den Pflegedienst müsse man selbst organisieren und auch selbst Einkaufen. Im EKWZ habe man den von Bewohnern organisierten Einkaufsdienst in Anspruchnehmen können.
„Man bekam auch die Kleidung gewaschen, gebügelt und zusammengefaltete Wäsche ans Bett gelegt, “, ergänzt Natalie, „das ist jetzt anders.“
„Es lohnt sich!"
Der Anfang war nicht leicht: „Als wir hier ins Betreute Wohnen eingezogen sind, hatten wir nichts und mussten zum Beispiel selbst Möbel kaufen und dafür ein Sozialdarlehen in Anspruch nehmen“, sagt Andreas. Interessenten fürs Betreute Wohnen raten Andreas und Natalie, sich zunächst gut zu informieren und sich z. B. vom Sozialarbeiter, der zum Angebot des Betreuten Wohnens gehört, bei den ersten Schritten helfen zu lassen. Was die Wahl eines Pflegedienstes angehe, so sollte man nicht den erstbesten nehmen, sondern das Preisleistungsverhältnis prüfen. „Man sollte sich das Personal anschauen, mit den Leuten Gespräche führen, denn die Chemie muss stimmen“, rät Andreas. Insgesamt sei es ein Reifeprozess, wenn man vom Heim in die eigenen vier Wände wechsle. „Aber es lohnt sich!“
Interview UM
Quelle: LEBEN & WEG 1/2013
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