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25.01.2013 Standpunkte

Reiseassistenz für behinderte Menschen

Für einige Bewohner des Eduard-Knoll-Wohnzentrums ist es jedes Jahr eine willkommene Abwechslung, wenn die Mitarbeiter des Reiseservice vom Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e. V. (BSK) im Herbst die Reisehelferschulung organisieren.
Auch ich bin da gerne dabei, weil immer ganz neue Kontakte entstehen. Manchmal entwickeln sich daraus sogar Freundschaften über Ländergrenzen hinweg, wie z. B. bei mir, die mittlerweile schon einige Jahre bestehen.

Außerdem stehen wir Rollifahrer während des 1-wöchigen Workshops den Teilnehmern als „Versuchskaninchen“ zur Verfügung. Das ist für uns teilweise sehr unterhaltsam.
Mit uns können die Leute dann z. B. der Transfer vom Rollstuhl in ein Bett üben. Die Helfer bekommen dadurch ein viel besseres Gefühl, als wenn sie mit einer Puppe oder einer gesunden Person üben würden. Und wir können gleich eine Anleitung geben, die auf unsere Bedürfnisse abgestimmt ist und direkt rückmelden, wenn etwas nicht gut läuft.
Im November 2012 war auch Teresa Diehl von der Zeitschrift „Rollstuhl-Kurier“ dabei, die mittlerweile einen ausführlichen Artikel geschrieben hat, den Ihr hier lesen könnt.
Euer Steffen

Quelle: Rollstuhl-Kurier 1-2013

22 Teilnehmer aus vier Nationen trafen sich im November beim BSK in Krautheim zum Reiseassistenten-Workshop. Innerhalb einer Woche lernten sie dabei in Theorie und Praxis alles rund um das Thema Körperbehinderung. Ziel des Workshops war es, den Teilnehmern Grundwissen und Kenntnisse über Behinderungsarten, Pflegetechniken und den Umgang mit einem Rollstuhl zu vermitteln, um sie als Begleitpersonen für Menschen mit Körperbehinderung im Urlaub zu qualifizieren.
Wer auf Reisen nicht alleine zurecht kommt und einen Reisebegleitservice benötigt, kann sich an den BSK wenden. Wer selbst einen solchen Kurs besuchen möchte, um behinderten Menschen auf Reisen assistieren zu können, wendet sich ebenfalls an den BSK.


Wie jedes Jahr haben wir in unserer Zeitschrift Rollstuhl-Kurier in der Rubrik "Veranstaltungen/Termine" auf den Workshop "Reiseassistenz für Menschen mit Behinderung" vom 5. bis 11. November 2012 hingewiesen, der jährlich vom BSK organisiert und veranstaltet wird.
Um in diesen interessant klingenden Workshop hineinschnuppern zu können, luden mich Hanna Ursin und Peter Reichert von der Bundesgeschäftsstelle des BSK in Krautheim ein, an der sieben Tage dauernden Weiterbildung zum Thema "Reiseassistenz für Menschen mit Behinderung" teilzunehmen.

Allgemeine Informationen über den BSK e.V.
Der gemeinnützige Verein BSK mit Sitz in Krautheim an der Jagstwurde 1955 von Eduard Knoll gegründet, um die Interessen behinderter Menschen und von deren Familien zu vertreten. Außerdem wollte er Aufklärung schaffen, mit Vorurteilen, Ängsten und Barrieren aufräumen und vor allem die nicht behinderte Öffentlichkeit sensibilisieren. Kurz gesagt: die Teilhabe, Inklusion und Gleichstellung von Menschen mit körperlicher Behinderung soll in Gemein- und Gesellschaft gefördert werden.

Tochtergesellschaften
Der Verband setzt sich aus dem BSK-Service, dem Reiseservice, den Krautheimer Werkstätten für Menschen mit Behinderung und dem Eduard-Knoll-Wohnzentrum zusammen. Außerdem besteht seit neun Jahren die Elsa-Krauschitz-Stiftung, die Neu- und Umbauprojekte für barrierefreie Wohnformen, vorwiegend im norddeutschen Raum, fördert.
Der BSK-Reiseservice in Krautheim ist zu 100 Prozent eine Tochtergesellschaft des BSK und hat sich auf Reisen in Deutschland, Europa und auf Fernziele für Menschen mit Behinderung spezialisiert. Die Palette der Angebote reicht von betreuten Gruppenreisen mit Reiseassistenz über Individualreisen bis hin zu Aktiv- und Wellnessreisen. Hinzu kommen die Schulung und Vermittlung von Reiseassistenten/-innen. Die Reiseangebote werden im Internet präsentiert (www.reisen-ohne-barrieren.eu), sind aber auch in gedruckter Form als Reisekatalog unter dem Titel "BSK-Urlaubsziele" erhältlich, den man gegen Einsendung eines adressierten und mit 1,45 Euro frankierten DIN-A4-Rückumschlags beim BSK-Reisedienst anfordern kann.

Die Krautheimer Werkstätten für Menschen mit Behinderung bieten Arbeitsplätze für Menschen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht, noch nicht oder nicht mehr auf dem Arbeitsmarkt eingegliedert werden können. Zu den Werkstätten zählt eine Buchhandlung mit eigener Druckerei und einem großem Sortiment an lieferbaren Büchern, Nachschlagewerken, Zeitungen und Zeitschriften. Darüber hinaus kann man kleine Geschenkartikel wie zum Beispiel selbstgemachte Karten, Süßigkeiten oder Kalender kaufen.
In den Krautheimer Werkstätten werden außerdem Aufträge aus der Industrie angenommen. Je nach Auftrag werden Teile montiert, nachgearbeitet, gewogen, gezählt, auf ihre Qualität geprüft und verpackt. Es können individuelle Arbeitsplatzhilfen und Vorrichtungen zur Verfügung gestellt werden, so dass jeder Mensch, der durch eine Behinderung eingeschränkt ist, ohne Probleme seine Arbeit verrichten kann. In der Abteilung "Altgeräte-Recycling" zerlegen die Arbeiter Elektro- und Elektronikaltgeräte und übernehmen somit Mitverantwortung für die Umwelt. Die Bevölkerung aus dem Hohenlohekreis kann Altgeräte aus privaten Haushalten kostenlos bei den Krautheimer Werkstätten abgeben.

Berufsbildung in der Werkstatt.
Im musischen, motorischen, kreativen und sozialen Bereich wird in den Werkstätten auch einiges getan. In der Abteilung "Berufsbildung" werden Fähigkeiten gezielt gefördert und Defizite abgebaut. Die Berufsbildung dauert zwei Jahre, gefördert wird in den Bereichen keramisches Gestalten, Holzarbeiten, Stoff- und Lederarbeiten, Gestalten von Grußkarten, die später im Buchhandel verkauft werden, sowie verschiedenste Maltechniken und Lernen am Computer.
Menschen mit Behinderung, die Interesse an einem Arbeitsplatz in den Krautheimer Werkstätten haben, können sich mit dem zuständigen Arbeitsamt oder direkt mit dem Sozialdienst der Krautheimer Werkstätten unter der Telefonnummer 06294 4287-13 in Verbindung setzen.

Das Eduard-Knoll-Wohnzentrum (EKWZ) bietet seit 2003 80 Wohneinheiten für Menschen mit Körperbehinderung. Zurzeit leben 90 Bewohner/-innen in dem komplett barrierefreien stationären Wohnbereich. Jeder Bewohner hat sein eigenes Zimmer und kann seinen Wohn- und Lebensraum individuell gestalten. Zwei Zimmer teilen sich jeweils ein Bad, das großzügig bemessen und mit allen nötigen Hilfsmitteln ausgestattet ist. Fenster und Türen sind mit elektrischen Antrieben versehen, um auch vom Rollstuhl aus per Fernbedienung oder Sprachsteuerung betätigt werden zu können. Das EKWZ gehört zu den modernsten Wohneinrichtungen in Europa. Im Oktober 2012 wurde ein weiterer Bauabschnitt für betreutes Wohnen eingeweiht. Dort wohnen 13 Personen in zwölf rollstuhlgerechten Wohnungen.

Das Stadtbild von Krautheim ist durch das Wohnzentrum des BSK e.V. barrierefrei geprägt, und nahezu alle Geschäfte in Krautheim sind stufenlos befahrbar.

Ablauf des Reiseassisten/-innen-Workshops
Der Kurs fand wie jedes Jahr in Krautheim an der Jagst in Baden-Württemberg statt. Der Workshop begann mit einer herzlichen Begrüßung und mit einem Vorstellungsspiel, das die Stimmung unter den 22 Teilnehmern auflockerte. Viele der Teilnehmer kamen aus dem Ausland angereist, wie zum Beispiel aus der Türkei, Rumänien, Ungarn und Spanien. Trotz der Vielfältigkeit an Nationalitäten und der großen Altersspanne, 21 bis 67, verstand sich die Gruppe sehr gut, was sehr hilfreich war, denn der Workshop verlangte einiges an Vertrauen und Teamgeist. Der Geschäftsstellenleiter des BSK in Krautheim, Herr Ulf-D. Schwarz, informierte nach der Begrüßung sehr ausführlich über den BSK und nahm erste allgemeine Fragen entgegen.

Aber nun zu den Themen des Workshops: Was haben wir gemacht? Was haben wir gelernt?
Das Programm des Workshops setzte sich aus vielen speziellen theoretischen und praktischen Themen und Übungen zusammen. Thomas Porep, der schon lange im Eduard-Knoll-Wohnzentrum arbeitet, brachte uns während des Workshops die Behinderungsarten näher, wie zum Beispiel Multiple Sklerose, die Querschnittslähmung und verschiedene Muskelerkrankungen. Bis ins Detail erklärte er Ursachen, Krank-heitsverläufe und die verschiedensten Formen dieser Behinderungsarten, ohne großes Fachchinesisch. Denn viele Teilnehmer hatten vor diesem Workshop noch keine Erfahrungen im Bereich Behinderung oder Pflege sammeln können.
Das Thema "Assistenz für blinde und sehbehinderte Menschen" war sehr praktisch aufgebaut. Die Referentinnen Rita Schroll und Sabine Lohner vom Blinden-Sehbehinderten-Bund e.V. sind selbst blind. Sie zeigten uns am Beispiel von Filmausschnitten, wie man eine Hilfestellung bei blinden und sehbehinderten Menschen richtig gibt und was man lieber vermeiden sollte. Sie verteilten Brillen als eine Art Selbsttest, die die verschiedenen Sehbehinderungen simulierten, und sie führten uns charmant ein realitätsnahes Rollenspiel vor, wie man sich als Reiseassistent besser nicht verhalten seilte.
Danach folgten Übungen mit einer Dunkelmaske, die einem Sehenden im Alltag einfach erscheinen. Beispielsweise kann das Treppenlaufen einem Blinden Schwierigkeiten bereiten, wenn der Helfer nicht weiß, wie er den Sehbehinderten anleiten und führen soll. Auch hierzu durften die Teilnehmer alle möglichen Fragen stellen, zum Beispiel: "Wie stellt ihr euch die Sehenswürdigkeiten auf Reisen vor?" "Wir kaufen uns kleine Modelle und tasten diese ab, während unsere Reiseassistenz diese beschreibt." Sehr einfallsreich, bewundernswert und interessant.
Regina Rudolph zeigte uns viel zum Thema Pflege. Was ist bei der Körperpflege zu beachten? Wie lagere ich einen Bewohner/Patienten richtig, ohne dass er einen Dekubitus bekommt? Was bedeutet Thromboseprophylaxe? Wie messe ich den Puls richtig? Auf all diese Fragen bekamen wir eine ausführliche Antwort. Außerdem hatte sie sämtliche Hygieneartikel und Hilfsmittel auf einem Tisch bereitgelegt. Die Teilnehmer durften alles in die Hand nehmen und ausprobieren. Sehr lustig und spaßig war das Thema "Transfer vom Rollstuhl ins Bett. Die Bewohner des Eduard-Knoll-Wohnzentrums stellten sich für diese praktischen Übungen gerne zur Verfügung. Die Teilnehmer des Workshops lernten am praktischen Beispiel, wie man eine Person, die sich nicht mehr bewegen und mithelfen kann, vom Rolli ins Bett hebt.
"Der schwerste Teil des Workshops ist der Umgang mit dem Rollstuhl!" Mit Hans-Joachim Strohbach, der die Gruppe mit diesem Satz begrüßte, bauten die Teilnehmer Rollstühle komplett auseinander und wieder zusammen, um ein Gefühl für dieses wichtige Hilfsmittel zu bekommen. Nachdem alle die Bestandteile dieses Gefährts kennengelernt hatten, ging es an den Rollstuhlparcours. Jeder durfte selbst die Erfahrung machen, wie man mit dem Rolli rückwärts, vorwärts und über eine Rampe fährt. Es wurden lustige Rollstuhlwettrennen veranstaltet, aber auch ernste Situationen, die im "Reisealltag" auftreten können, besprochen und praktiziert. Zum Beispiel: Wie bekomme ich einen Rollstuhl eine Stufe hoch, ohne dass derjenige, der im Rollstuhl sitzt, herausfällt?
Die Teilnehmer bekamen auch die wertvolle Chance, sich mit erfahrenen Reiseleitern zu unterhalten. Wichtige Fragen wie: "Lernen sich der Reisende und der Assistent vorher kennen?" oder "Bin ich während der Reise versichert?" wurden besprochen. Die meiste Zeit aber erzählten die Reiseleiter von ihren jahrelangen Erfahrungen.

Ein weiterer Teil des Workshops waren Hospitationen und Führungen durch die Krautheimer Werkstätten und das Eduard-Knoll-Wohnzentrum. Alle Teilnehmer bekamen einen guten Einblick in die Arbeitswelt der Werkstatt und in das Arbeiten in der Buchhandlung. Stolz zeigten die Bewohner, was für eine Arbeit sie ausführen, wie sie zum Beispiel Schrauben wiegen, verpacken und dann das Etikett draufkleben. Toll, wie sie trotz schwerster Behinderung ihren Teil zum wirtschaftlichen Erfolg beitragen.
Die Hospitation im EKWZ bestand darin, den Bewohnern beim Frühstücken zu helfen und ihnen das Essen zu reichen. Die angenehme Atmosphäre ließ Berührungsängste erst gar nicht aufkommen.

Unterkunft, Verpflegung und Wissenswertes
Die Übernachtung erfolgte in Einzel- oder Doppelzimmern, die bis zum nächsten Workshop im Jahr 2013 vollständig renoviert und mit einem Fernseher, bestückt werden. Während der gesamten Weiterbildung gab es Vollverpflegung. Das Frühstück wurde in der nahe gelegenen Pension "Heidis Station" serviert, das Mittag- und Abendessen wurde im Speisesaal des Eduard-Knoll-Wohnzentrums gemeinsam mit den Bewohnern eingenommen. Die gemeinsamen Mahlzeiten im Wohnheim sorgten für einen schnellen Kontakt zu den Bewohnern, was eine wirklich schöne und familiäre Atmosphäre bewirkte.
Alle Teilnehmer sind während des Workshops durch eine Haftpflicht-Unfallversicherung abgesichert. Für die Organisation der An- und Abreise und eventuelle Buchungen ist jeder Kursteilnehmer selbst verantwortlich. Man wird aber vom BSK dazu im Vorfeld mit ausführlichen Informationen versorgt.
Die Kosten für sieben Tage Workshop inklusive Vollverpflegung und Snacks belaufen sich auf 298,- Euro pro Person im Doppelzimmer und 403,- Euro pro Person im Einzelzimmer.
Der Anmeldeschluss für den nächsten Workshop "Reiseassistenz" vom 04. bis 10.11.2013 ist der 15.09.2013.
Kontakt Organisation/ Durchführung:
Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK) Altkrautheimer Str. 20, 74238 Krautheim
Tel.: 06294 4281-50, Fax:06294 4281-59 E-Mail: info@bsk-reisen.org

Bericht und Fotos: Theresa Diehl

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