10.02.2009 radioEdi
Radio trotz Rollstuhl
Passanten, die an einem Donnerstagnachmittag in der Krautheimer Innenstadt unterwegs sind, kann es passieren, dass sie sich ganz unvermittelt in einer Interviewsituation wiederfinden.
Die Fragen, mit denen sie konfrontiert werden, sind häufig unbequem und bewusst ein bisschen provokant. „Was halten Sie von Behinderten?“ lautet eine von ihnen. Es sind besondere Journalisten, die solche und andere Fragen stellen. Sie alle sind Rollstuhlfahrer und Bewohner des Eduard-Knoll-Wohnzentrums für Menschen mit Körperbehinderung (EKWZ).
Unterwegs sind sie im Auftrag von Radio-Edi. Unter dem Leitwort „Behindert – Na und“ macht die Gruppe seit 2006 ihr eigenes Webradioprogramm, die Beiträge sind auf der Internetseite des Wohnzentrums abrufbar. Das Projekt wurde auf einen Vorschlag des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes hin ins Leben gerufen und hat neben dem bloßen Spaß an der Sache ein konkretes Ziel. „Das Bild, das wir nach außen präsentieren wollen, ist: Behinderte können auch was“, definiert es Robert Beer.
Köpfchen „Wir wollen zeigen, dass Behinderte auch etwas im Köpfchen haben“, ergänzt Biggi Gotthardt. „Darum das Motto: Behindert – Na und.“ Und das scheint auch nötig zu sein: „Für die Leute ist es überraschend, dass die Fragen von uns kommen“, erzählt Andrea Jakob. „Darauf sind viele nicht gefasst.“
Und so ist es auch nicht einfach, im Städtchen Interviewpartner zu finden. „Wir müssen häufig 20 Leute fragen, um am Ende zwei Meinungen zu bekommen“, drückt es Biggi Gotthardt in Zahlen aus. Die Themen für die Interviews legt die Gruppe in ihrer wöchentlichen Redaktionssitzung fest. Neben den acht EKWZ-Bewohnern, Zivi Lukas Lochner und Mitarbeiterin Johanna Maisch sind dabei seit einem halben Jahr auch drei Realschüler dabei. Die Neuntklässler Jannis, Samuel und Moritz leisten damit ihren Beitrag zum Schulprojekt „Soziales Engagement“.
Sind die Themen gefunden, die Interviews gemacht und die Anmoderation fertig, macht sich Thuan-Ngoc Nguyen ans Schneiden und die an die Tonabstimmung. Wie das geht, haben die Radio-Edi-Mitarbeiter von einem Profi gelernt. „Ein Journalist hat uns an vier Workshoptagen die Grundlagen der Radioarbeit beigebracht“, erinnert sich Biggi Gotthardt. Ein Kinderspiel ist die Sache nicht, besonders die Technik – sie ist für nichtbehinderte Anwender entwickelt worden – stellt oft eine Herausforderung dar.
Sprechen Auch sonst gibt es einen Unterschied zu „normalen“ Radioreportern. Vielen Behinderten fällt auch das Sprechen schwer. Die Lösung: Im Netz steht der Text einfach noch einmal darunter.
Für ihr Radioprogramm haben die Krautheimer offizielle Anerkennung erhalten. 2007 hat Radio-Edi beim Medienwettbewerb des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes den ersten Platz belegt. Der Preis war eine vom Bundespresseamt organisierte Reise nach Berlin, wo man natürlich gleich Hauptstädter befragt hat. Am Ende muss auch die Frau von der daran glauben. Manuel Padilla-Sorg bittet zum Interview.
Janina Hornung
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