Navigation

16.06.2017 Standpunkte

Gestrandet auf Helgoland

Bei einem gemeinsamen Nordsee Urlaub planten wir, Andrea F., Tina und ich, einen Tagesausflug, bei dem wir ein echtes Abenteuer erlebten, von dem wir euch hier berichten möchten.

Bei strahlendem Sonnenschein brachen wir Samstagmorgen, den 27. Mai 2017, nach Helgoland auf. Für unsere Pflegerin Tina, Andrea F. und mich bedeutete dies, sehr früh aufstehen, damit wir spätestens um 8:30 Uhr am Anleger unserer Fähre sein konnten. Der Hafen war fast 5 km von unserer Ferienwohnung entfernt und diesen mussten wir mit unseren Elektro-Rollstühlen und Tina mit Fahrrad erst einmal erreichen. Die Fahrt dorthin war wunderschön, wir waren fast alleine unterwegs. Die Sonne schien schon vom wolkenlosen Himmel und es wehte eine leichte Briese. Am Hafen lag die Fähre „HELGOLAND“ schon am Pier.

Die Überfahrt war sehr schön, saßen wir doch an Deck und konnten auf die Nordsee schauen. Die „HELGOLAND“ hat Kreuzfahrt-Flair und ist barrierefrei, man kann alle Decks mit dem Lift  erreichen.

Nach zweieinhalb Stunden Fahrt kamen wir auf Helgoland an und machten uns auf den Weg in den Ort, auf dem man an vielen bunten Häusern vorbei kommt, in denen kleine Läden und Restaurants untergebracht sind. In der Stadt selber reiht sich ein Geschäft an das andere, auch „duty-free“-shops, und so ließen wir uns viel Zeit beim Bummeln. In den oberen Ort, der mit einem Lift zu erreichen ist, wollten wir aber nicht. Irgendwann packte uns dann der Hunger und wir gingen erst mal essen.

In dieser Zeit hätten, hätten, hätten…

… hätten wir uns längst wieder auf den Weg zum Hafen machen sollen, zu unserer Fähre „HELGOLAND“. Sie fuhr aber ohne uns ab, wir sahen sie nicht einmal mehr von hinten. Vor uns lag nur noch ein leerer Anlegeplatz, kein Schiff weit und breit,

Da standen wir nun mit der großen Frage: „Was nun?“ Die nächste Fähre, so viel war klar, fuhr erst wieder am nächsten Nachmittag. Die Aussicht im Rolli übernachten zu müssen, war nicht sehr berauschend.

Also machten wir uns wieder auf den Weg in den Ort. Andrea F, die einen schnelleren Rolli als ich hat, fuhr voraus, während Tina und ich nachkamen. Auch wir überlegten, genau wie Andrea, was wir in dieser Situation tun konnten, aber uns fiel in unserer Aufregung nichts ein. Dann sahen wir, wie Andrea F. sich mit zwei Männern unterhielt. Wie sich herausstellte, kannten sie sich auf der Insel aus und waren ehrlich bemüht, uns zu helfen. Verschiedene Möglichkeiten wurden angedacht und wieder verworfen, bis einer der beiden, der zufällig Krankenpfleger war, auf die Idee kam, im Krankenhaus nachzufragen, ob dort für uns eine Übernachtungsmöglichkeit bestehen würde. Gesagt getan, so machten wir uns gemeinsam auf den Weg zum dortigen Krankenhaus. An der Paracelsus-Nordseeklinik  angekommen, klingelten wir die diensthabende Schwester „Irmchen“ an den Empfang, die über den Menschenauflauf im Empfangsbereich des Krankenhauses sehr überrascht war und über unsere Geschichte noch viel mehr. Sofort griff sie zum Telefon und versuchte Hotels sowie die Jugendherberge zu erreichen. Aber nichts zu machen - verlängertes Wochenende - alles ausgebucht. Nebenbei kümmerte sich Irmchen auch noch um ihre Patienten. Der Krankenpfleger, der uns begleitete, meinte dann, es wäre doch das Beste, wenn wir im Krankenhaus übernachten könnten. Irmchen hatte in der Zwischenzeit nun auch die Polizei eingeschaltet, sie war der Meinung: „Ihr seid ja praktisch obdachlos“, und die Polizei wird schon einen Weg für euch finden“. Zwei Polizisten kamen dann tatsächlich in die Klinik und meinten, sie seien optimistisch, dass wir Platz zum Schlafen finden würden, nämlich: „am besten hier“. Währenddessen hatte Krankenschwester Irmchen ihren Verwaltungschef am Telefon, erzählte ihm die Geschichte und gab den Hörer auch an die Polizisten weiter, die ein wirklich gutes Wort  für uns einlegten. So wurde es möglich, dass wir in der Paracelsus-Klinik auf Helgoland unser Schlafgemach fanden. „Unser Irmchen“ brachte uns sogar noch zu Essen und zu Trinken und bot weitere Hilfe an, die wir auch gerne angenommen haben.

Am nächsten Morgen versorgte sie uns sogar noch mit Frühstück.

Viele hilfsbereite Menschen haben dazu beigetragen, dass wir in dieser Nacht nicht obdachlos geworden waren, und wir möchten uns noch einmal bei Allen auf das Herzlichste bedanken.

Für uns war es eine überwältigende Erfahrung so vielen selbstlosen Menschen zu begegnen. Eure Andrea J.

ein paar Bilder

3441 Aufrufe

2 Kommentare

Georg Kleiner schrieb am 12.06.2017 - 11:58 Uhr

Eine beeindruckende Geschichte, die zeigt, daß die Erkenntnis stimmt: Wer will, der findet Wege, wer nicht will, findet Gründe. Spannender kann die Geschichte ja gar nicht sein.


Georg Kleiner schrieb am 13.06.2017 - 05:46 Uhr

Noch ein Kommentar. Die Geschichte mit der Insel: Was hier als eine Urlaubs-Erzählung erscheint, hat eine tiefere Bedeutung. Welche? Man könnte diese Erzählung sehen als eine Episode der Truman-show (ein Protagonist entdeckt durch Zusammenstoß mit der Kulisse seines Lebensfilms, daß die eigene Wirklichkeit weitgehend ein nicht als solcher erkannter Lebensfilm ist, indem er die Hauptrolle spielt, die aber nur eine Rolle ist. Der Letzte Teil ist auf youtube zu finden). Also nun meine Interpretation. Die Insel Helgoland war eigentlich nur als ein Ausflugsziel innerhalb des Lebensfilms gedacht, kein Ort für tiefere Erfahrungen. Du besteigst das Schiff, legst an der Insel an, besichtigst sie, siehst das Naturschauspiel, hast einen netten Tag, gehst wieder in den Hafen, besteigst wieder müde das Schiff und das wars, die Insel-Erfahrung ist vorbei. Aber das passierte hier nicht. Durch einen seltsamen Zufall stoßen hier die Protagonisten in dieser Szene mit den Kulissen und Nebendarstellern ihres Lebensfilms zusammen. Die Insel-Szene soll gedreht werden, aber die Hauptdarsteller brauchen beim Essen zu lange und das Schiff, das nur zeitlich befristet zur Verfügung steht, fährt aus der Szene raus: Und jetzt geschieht es: In keinem Drehbuch ist die Fortsetzung dieses Lebensfilmes zu finden! Wir befinden uns plötzlich in einer Wirklichkeit, in der die ganze Fortsetzung des Lebensfilms im Augenblick dieser Szene gefunden werden muss. Unbeantwortet bleibt erst mal die Frage: wird es eine Tragödie, oder eine Komödie? Man hat offenbar keine Angst, der Film geht weiter, weil die Kameras nicht abgeschaltet werden. Und was passiert? Die Erzählung vermittelt jetzt das tiefere Inselerlebnis, das gar nicht vorgesehen war. In dem Augenblick an diesem Ort wird die Insel zu eine wirklichen Insel. Weshalb? Man ist gestrandet. Das Stranden gehört zum Inseldasein dazu! Es ist die tiefere Insel-Erfahrung, siehe Robinson Crusoe. Doch obwohl die Insel Helgoland mitten in der Zivilisation sich befindet, wird es hier genauso abenteuerlich: Mangels anderer Möglichkeiten wird ein Krankenhaus zur einzigen Urlaubsunterkunft. Alle Protagonisten finden sich in einer unerwarteten Szenerie wieder und sogar die Polizei kommt. Alle müssen umdenken, nicht nur die Krankenschwester, auch der Krankenhauschef. Jetzt stellt sich die Frage, ist jeder eine individuelle Insel, schön für sich allein vom verbindenden Festland isoliert oder nicht? Und nun liefert uns diese scheinbare Urlaubserzählung tatsächlich ein happy end, so wie eines immer für hollywood gebraucht wird. Es stellt sich heraus: Niemand ist eine Insel! Alle handeln gemeinsam richtig. Man trifft auf Menschen, die weiterhelfen. Dieser Film ist die Wirklichkeit. Das, was hier als einfache Unlaubserzählung daherkommt, ist der Stoff, aus dem das Leben ist!


Kommentar hinzufügen