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22.04.2009

Sie wollen eine Kultur des Hinsehens

Krautheim Im Eduard-Knoll-Wohnzentrum herrscht großer Andrang. Alleine etwa 35 Rollstuhlfahrer drängen sich in einem Raum. Vorne sitzen Bürgermeister Andreas Köhler, Jürgen Kober vom Weißen Ring und zwei Polizeibeamte. Heute wollen sie mit den Bewohnern des Wohnzentrums über Gewalt diskutieren.

Spott Ein Überfall auf einen Menschen mit Behinderung im März in Krautheim hat viele der Anwesenden beunruhigt (siehe Hintergrund). Viele berichten aber auch von eigenen Erlebnissen. Michaela Schmid erzählt, wie einmal jemand vor ihr auf dem Boden eine Flasche zerschlagen hat. Wegen den Scherben konnte sie mit dem Rollstuhl nicht mehr weiter fahren.

Manchmal würden Jugendliche auch einzelne behinderte Menschen um kleine Geldbeträge erpressen, erzählt jemand. Und viele andere Rollstuhlfahrer haben zumindest schon Beschimpfungen, Spott oder ähnliches erlebt – oft allerdings auch außerhalb von Krautheim. „Die Leute hier in der Stadt achten auf sie“, sagt Bürgermeister Andreas Köhler. Und auch Jörg Hachenberg sagt: „Die Statistik zeigt, dass sie trotzdem in einer sicheren Gemeinde leben.“ Doch auch in Krautheim gibt es Ausnahmen. Und seit dem Überfall auf einen Bewohner des Eduard-Knoll-Wohnzentrums haben viele ein „ungutes Gefühl“, wie jemand sagt.

„Ich gehe gerne nach Altkrautheim. Aber jetzt habe ich auch Angst, alleine weg zu gehen“, erzählt zum Beispiel Manuel. Die Diskussion im Wohnzentrum soll helfen, dass sich die Bewohner wieder sicherer fühlen können. Deshalb sind auch der Krautheimer Polizist Andreas Philipp und Jörg Hachenberg von der Polizeidirektion Künzelsau gekommen. Sie geben Tipps, wie man sich bei einer Konfrontation verhalten soll. „Es ist wichtig, dem Gegenüber ‚Stop’ zu sagen“, erläutert Jörg Hachenberg. „Wenn etwas passiert, dürft ihr das nicht einfach hinnehmen und runter schlucken“, findet auch Norman Weyrosta, Geschäftsführer des Wohnzentrums.

Zwischenfälle Wer angegriffen oder erpresst wird, soll sich danach bei der Polizei melden, sagt Polizist Andreas Philipp. „Wenn keiner zu uns kommt, dann können wir auch nicht tätig werden.“ Philipp rät dazu, sich bei Zwischenfällen möglichst viele Details einzuprägen. Wie sehen die Täter aus? Gibt es Zeugen? „Und in dem Moment, wo wir den kleinsten Ansatzpunkt haben, haken wir ein.“

Polizei, Stadt, Wohnzentrum und Weißer Ring wollen sich regelmäßig treffen, um über die Sicherheit der Menschen mit Behinderung zu sprechen. Auch Treffen in den Schulen hat es bereits gegeben. Das Ziel ist für Bürgermeister Köhler klar: „Wir wollen eine Kultur des Reagierens und des Hinsehens.“

Daniel Stahl - Hohenloher Zeitung

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